07.12.2020
Eine SWR-Journalistin filmt den Tod der Ungeborenen, das Leid der Frauen und die Rechtfertigungen des Arztes.
„Mehr als 100.000 Frauen erleben das jedes Jahr in Deutschland!“ Mit diesen Worten beginnt Fernseh-Reporterin Luisa Szabo (29) ihre filmische Dokumentation von sieben Tagen Dreharbeit in einer Abtreibungspraxis.
Von Rainer Klawki
Für viele nur schwierig zu ertragen ist diese im deutschen Fernsehen noch nicht gesendete Abtreibungsdokumentation. Die ersten Worte des Abtreibungsarztes im Hawaii-Hemd: „Das ist die ganz Schwangerschaft – mehr ist nicht!“. Zu sehen ist der zerstörte Organismus eines noch nicht geborenen Kindes in der 6. Woche, das in der gewässerten Schale landet. Der Film „7 Tage in der Abtreibungsklinik“ ist auf erschreckende Weise unkritisch. Die abgetriebenen Kinder hatten keine Chance, weil keine Zeit für Gespräche ist. Das Töten wird in diesem Film dokumentiert und dazu gesagt: „Kinder sind das doch noch nicht“. Ab wann ist ein Kind ein Kind? Die Antwort gibt der abtreibenden 74-jährige Arzt selbst. „Ich habe keine Probleme damit, wenn sich eine Frau für ihr Kind entscheidet!“ Er redet tatsächlich vom „Kind“ – und nicht mehr wie vorhin von „der Schwangerschaft“. Zum Glück offenbart er an dieser Stelle auch, dass etwa 15 Prozent der Frauen die Abtreibungspraxis ohne Abtreibung und mit Kind verlassen. Ansonsten lässt sich die Realität mit diesen eiskalten Zahlen fassen: 14 mal am Tag wird allein in dieser Praxis ein Abbruch vorgenommen, 3.000 mal im Jahr.
Kaum eine Frau möchte vor der Kamera sprechen
So einfach ist es für die Reporterin nicht, die Frauen vor die Kamera zu bekommen. Jedenfalls nicht so leicht, wie sie es sich vorgestellt hatte. Die wenigen anonymen Statements nach Abtreibung bezeugen, was vielen schon bekannt ist: „Ich musste eine Entscheidungen treffen, die ich nie treffen wollte“, sagt eine verschüchterte Frau, was auf den Druck ihrer sozialen Umgebung hinweist, unter dem sie stand. Wenn ein Kind unterwegs ist, muss eigentlich nichts mehr entschieden werden!, hätte man ihr am liebsten zugeflüstert. Das nächste ernüchternde Statement im Kommentar: „Die meisten Frauen behalten die Abtreibung für sich.“ Offenbar weiß jede und jeder, dass hier Unrecht geschieht. Ein Unrecht, das das Ende einer Kette von viel anderem Unrecht ist, das im Vorfeld im Spiel war.
Psychische Probleme lassen sich anders lösen
Ins Gespräch kommt die Reporterin mit Sabrina (Name geändert!), die ganz offensichtlich psychische Probleme hat. „Es hätte kein Leben gehabt mit mir.“ Warum? Weil der Kindsvater und Freund Depressionen hat, wie sie selbst. „Wir müssen unser eigenes Leben klarkriegen, bevor wir uns um ein anderes kümmern.“ Wurde hier das psychiatrische Problem erkannt, eventuell an einen Facharzt überwiesen? Solche Fragen werden in einer Abtreibungspraxis nicht gestellt.
Natalie will alles möglichst bald hinter sich haben
Die Annahme der Kommentatorin „Jede Frau hat alles im Kopf tausend Mal durchgespielt,“ scheint nur einen Teilaspekt der Realität zu beleuchten. Manche sind auf dem Trip „Augen zu und durch!“ und „Bloß nicht nachdenken!“. So ist es etwa bei Natalie. Sie betreibt Verdrängung, wie die Reporterin konstatiert. Über die Schwangerschaft hat sie nur mit Freundin und Mutter gesprochen, nicht mit dem Vater des Kindes. Ihre Aussage: „… ich habe mich nicht damit beschäftigt… eher alles ausgeblendet… Thema erledigt… ich will neu anfangen….“ Und warum diese Reaktion? „Bei der Geburt des zweiten Kindes wäre ich fast draufgegangen,“ ist deren Erklärung. Sie will halt jetzt die als tödliche interpretierte zweite Schwangerschaft überleben.
Die Karriere steht vielen Frauen beim Ja zum Kind im Weg
Eine weitere junge Frau: „Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, weil ich noch nicht mit meinem Studium fertig bin“. Was sie sich nicht vorstellen kann und will, ist ein Leben mit Kind. Auch sie hat versucht, nicht viel darüber nachzudenken. Und das ernüchternde Ende: „Die Entscheidung kann mir niemand abnehmen. Und danach, wenn einmal entschieden ist, weißt du auch nicht, ob es richtig ist…“ erklärt sie schicksalsergeben. Muss überhaupt etwas entschieden werden, wenn eine Schwangerschaft festgestellt ist?, drängt sich hier erneut als Frage auf.
Mehr als ein Dutzend Frauen hatte die junge Reporterin angesprochen. Keine wollte vor die Kamera. 40 Prozent waren verheiratet. Das Alter lag zwischen 18 und 34 Jahren. Nur wenige Frauen in dieser Abtreibungspraxis waren unter 18 Jahren – eine Einschätzung, die auch den bekannten Statistiken entspricht.
Die Motivation des abtreibenden Arztes besteht aus Geschichten
Und warum macht dieser Arzt nur Abtreibungen? „Ich war mit meiner Freundin (22) im Odenwald zur Abtreibung. Der Arzt hat keine Narkose und keine Lokalbetäubung gemacht. Es hat so stark geblutet, dass ich damals in Ohnmacht gefallen bin, so dass ich noch heute eine Narbe am Kopf habe.“ Offenbar begann das Leben des Arztes zu zweit mit der Abtreibung seines eigenen Kindes. Und später: „Ich habe in fünf Jahren sechs tote Frauen nach Abtreibung in Wiesbaden gesehen, so dass ich mir gesagt habe, dass muss auch anders gehen.“ Hier scheint er etwas wiedergutmachen zu wollen.
Es sind aber noch einige weitere grausige Geschichten, die ihn antreiben, seinem Beruf nachzugehen. Sie haben mit Geld zu tun. Er erzählt die Geschichte einer 40jährige Frau, die zu einem seiner Kollegen in der 14. Woche kam. Als dieser fragte: „Warum kommen sie denn so spät?“ setzt dieser die Frau unter Druck: „Sie bringen morgen 1000 Euro in bar – dann mache ich das.“ Diese überhöhte Forderung habe der Kollege nur aufgestellt, weil er von der Schwangeren wisse, dass sie ihn gerichtlich nicht belangen wird. Solche Situationen wolle er vermeiden. Und so ist er dann auch noch der Bessere unter den Abtreibern.
Die letzte Geschichte ist ein schlechter Witz: „Vor acht Wochen und fünf Tagen ist es passiert…?“ „Ich frage die Frauen dann immer, ob der Ehemann da zufällig verreist war!“ Jetzt wird der Gebärmutterinhalt abgesaugt… Abtreibung als letzte Rettung für ein lustvolles verantwortungsloses Sexualleben? will diese Anekdote wohl verdeutlichen. Ganze Industrien (Hollywood, Sexarbeit, Drogenmilieu, Clan-Kriminalität) leben ja inzwischen von dieser „Absicherung“ mit Todesfolge.
Was der Film alles dokumentiert, ist am Ende sogar wertvoll
Was der Film zum Glück auch dokumentiert: Das ungeborene Kind hat ein komplett anderes Aussehen als der Organismus der Mutter. Der Arzt: „Die Schwangerschaft ist ganz was anderes, ganz helles Gewebe.“ Das sei alles: „Der Flusen ist der Mutterkuchen, das Häutchen ist die Fruchtblase“, wird erklärt. Das Ungeborene scheint gar kein Teil der Mutter zu sein, es wohnt im Mutterkuchen nur für die erste verletzliche Phase seines Lebens. Viele Ideologien zur Abtreibung („Mein Bauch gehört mir!“) brechen beim Realitäts-Check in der Abtreibungsklinik zusammen.
Und noch etwas wird überraschend klar: Viele Verhütungsmethoden scheinen in punkto Wirksamkeit den Realitätstest nicht zu bestehen. Fast alle Frauen meinen – zumindest mit der Pille – verhütet zu haben. Und: „Wir ziehen hier im Jahr 250 bis 300 Kupferspiralen mit Schwangerschaften raus!“ kommentiert der abtreibende Arzt und zeigt eine solche Spirale. Er erklärt, wo sie sitzen müsste – in der Plazenta – und wo er sie vorfindet – am Gebärmutterhals.
Bei jedem Schwangerschaftsabbruch ist Bargeld im Spiel
Auch die finanziellen Verhältnisse werden geklärt: Sabrina war vier Stunden in der Klinik. Bezahlt wurde in Bar. Bei den meisten sind das zwischen 350 und 600 Euro. Das Wichtigste aus Sicht des Verwaltungspersonals, dass es seine Arbeit „wie jeden anderen Job“ erledigt: der Beratungsschein muss vorliegen, sonst ist das, was hier geschieht strafbar. Wer noch an eine Positiv-Funktion des Beratungsscheins glaubt, der wird hier in der Realität erneut vom Gegenteil überzeugt.
Schließlich erzählt der abtreibende Arzt noch die Geschichte einer Frau, die sehr traurig war – aber nicht wegen ihrer eigenen Abtreibung, sondern aufgrund der Tatsache, dass sie Zwillinge erwartete, die sich beide „gegenseitig die Versorgung abnahmen“. Diesem Missstand wurde dann auch ein Ende bereitet.
Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch macht es dem Arzt leichter
Auch der medikamentöse Abbruch wird in dieser Praxis eingeleitet, wie der Film dokumentiert.
Dabei gibt es beides: die medikamentöse Vorbereitung der Ausschabung und Absaugung und die reine medikamentöse Abtreibung mit einem Antihormon und einem Wehenhemmer im Abstand von zwei Tagen. Anna bekommt ein Prostaglandin, damit die Absaugung funktioniert. Sie gibt später an, dass sie ungewollt schwanger ist, weil sie ja die Pille nimmt. Der Arzt rät: „In den nächsten Tagen keine Tampons, nur Binden!“ Warum das mit einem Medikament vorbereitet wird? „Damit es keine Probleme gibt!“ Für den Abtreiber von Vorteil: Die Tablette öffnet den Gebärmutterhals und macht ihn geschmeidig. „Eine Tablette wird mitgenommen. Diese Tablette bewirkt eine beginnende Fehlgeburt.“
Und dann liefert er auch noch die Anekdote zu einem Kind, das den Aufenthalt in der Abtreibungsklinik überlebt hat. Als eine Schwangere die Tablette bekommen soll, fragt diese entrüstet: „Was? Sie wollen, dass ich mein Kind umbringe?“ Die Antwort des Arztes: „Wie, Sie wollen, dass ich es tue?“ Darauf sagt sie: „Nein!“, lacht und geht nach Hause.
Wie es den Frauen direkt nach der Abtreibung erging
Die Reporterin fragt einige Frauen, wie es ihnen nach der Abtreibung geht: „Wie geht es Dir jetzt?“ „Eigentlich gut. Ich merke jetzt fast gar nichts mehr. Ich war nervös, es gibt auch nichts, was Du googeln kannst oder irgendwelche Erfahrungssachen.“
Was allen klar ist: „Ein Kind ändert alles“ – ob es stirbt oder überlebt, möchte man hinzufügen. Es bleibt die Erkenntnis: Eigentlich ist es in der Schwangerschaft vorbei damit, frei über den eigenen Körper entscheiden zu können. Wer es trotzdem tut, muss eine solche Einrichtung aufsuchen, in der letztlich auch nichts verbessert werden kann. Die Hoffnung des Arztes, dass jede Frau mit den Mundwinkeln in der Höhe oder zumindest auf gleicher Höhe nach Hause gehen kann, scheint eine Illusion zu sein.
Hier geht es zur Dokumentation 7 Tage… In der Abtreibungsklinik