01.07.2022

Bluttests Krankenkassenleistung

Die Rasterfahndung läuft, denn ab heute zahlen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland schwangeren Frauen Bluttests auf Trisomie 21, 13 und 18. Nun kann noch kostengünstiger, flächendeckender und früher in der Schwangerschaft nach Kindern mit dem Down-Syndrom gefahndet werden. Je nach Hersteller wird ab der 9./11. Schwangerschaftswoche mittels eines nicht-invasiven Verfahrens über das Blut der Mutter, in der DNA Fragmente des Kindes schwimmen, nach kindlichen DNA-Bruchstücken gesucht und diese dann sequenziert. Anschließend wird anhand dieser Blutprobe ein statistischer Wert ermittelt, zu welchem das ungeborene Kind Trisomie 21, 13 oder 18 hat oder eben nicht.
Wird ein solches Ergebnis bekannt gegeben wird meistens nicht mehr nach dem Schweregrad der genetischen Veränderung oder dem zu erwartenden Lebensalter des Kindes gefragt. Dies könnte in einer genetischen Beratung geklärt werden, die auch die schockierten Eltern auffangen könnte. In vielen Fällen wird das hohe Risiko für einen falsch-positiven Befund häufig komplett außer Acht gelassen und stattdessen zu schnellen Taten geschritten. Eltern empfinden einen wachsenden Druck, nur gesunde Kinder zu bekommen und nutzen so meist übereilt das Zeitfenster innerhalb der Fristenregelung, um das scheinbar kranke Kind abzutreiben. Eltern brauchen aber besonders jetzt, wo das kostenlose Angebot eine gehäufte Nachfrage provozieren wird, umfangreiche Informationen nicht nur zur Wirk- und Analyseweise der Tests, sondern auch zu den prognostizierten Krankheitsbildern. Ihnen müssen Wege aufgezeigt werden, wie sie mit möglicherweise erschütternden Diagnosen umgehen können, welche Beratungsmöglichkeiten sie haben und welche Hilfsangebote, wenn sie eine lebensbejahende Entscheidung treffen.
Der Gesetzgeber hat in seiner Entscheidung über die kassenfinanzierten Bluttests sicherlich viele Punkte bedacht. Aber hat er auch über den Druck nachgedacht, dem Eltern ausgesetzt sind? Über die vielen Kinder, die nun ihr Leben verlieren, weil sie schon im Mutterleib als „krank“ identifiziert werden? Oder über die Würde der bereits mit einer solchen Behinderung Geborener? Was will unsere Gesellschaft kranken Menschen vermitteln? Sieht so eine Willkommenskultur aus?
Als Stiftung arbeiten wir jeden Tag an einer Gesellschaft, in der jeder Mensch – unabhängig von seinem Gesundheitszustand – einen Platz hat und das Leben den Tod besiegt.